Dr. Alexandre Strasny
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DER
KLEINE HEILPRAKTIKER
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Ein Handbuch für
passionierte Heilpraktiker und beharrliche Patienten
Inhalt
Krank geworden
Woher die
Krankheiten kommen
Diäten
Reinigung
Phytotherapie
Physiotherapie
Akupressur
Selbst ist der Bioenergetiker
Yoga
Dann gehe ich mal zum Heilpraktiker
Alternativen Diagnostik
Akupunktur
Massage
Manuelle Therapie
Psychotherapie
Homöopathie
Bioenergotherapie
Ganz alternative Methoden
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Wir Menschen finden die Wirklichkeit unbefriedigend Sigmund Freud Die Psychotherapie ist die Königin der Heilkunde. Warum? Weil die ganze alternative Medizin hauptsächlich mit psychosomatischen Störungen zu tun hat, die mittelbar oder unmittelbar vom unbewussten Bereich unserer Psyche abhängen. Im Unterschied zu den anderen Spezialisten kann gerade der Psychotherapeut – verzeihen Sie mir das Wortspiel – bewusst mit dem Unbewussten kommunizieren. Die Überzeugung, dass man seine psychologischen Probleme selbst bewältigen könne, ist eine Illusion. Jeder Mensch ist sich selbst gegenüber immer subjektiv. Niemand kann seine Psyche klar verstehen und eine optimale Lösung finden. Eine große Persönlichkeit sagte: „Das Wort, das dir hilft, kannst du dir selbst nicht sagen.“ Und dieser „Große“ hatte Recht. Was ist die Psychotherapie und wie unterscheidet sie sich von der Psychiatrie? Der Psychiater ist ein Arzt, der mit den „echten“ psychisch Kranken zu tun hat. Der Psychologe und Psychotherapeut arbeitet mit psychisch gesunden Patienten, die aber irgendwelche Probleme mit ihrer Gesundheit oder ihrem psychischen Wohlbefinden haben. Der Psychiater und der Psychotherapeut sind zwei absolut verschiedene Spezialisten. Sie haben unterschiedliche Ansätze bei der Betrachtung des Patienten und bei seiner Behandlung. Ich kann mich noch ganz gut an meine Empfindungen erinnern, als ich nach siebenjähriger Arbeit als Psychiater beschloss, die „Leistungspsychiatrie“ zu verlassen und in Kiew eine private Praxis aufmachte, um mich mit der Psychotherapie zu befassen. Damals dachte ich, dass die beiden ein und dasselbe sind. Als die ersten Patienten kamen, fühlte ich mich verloren und hilflos. Es stellte sich heraus, dass sich aus meiner Erfahrung als Psychiater fast gar nichts in der Psychotherapie anwenden ließ. Denn sie sprechen die Dimensionen des Menschen unterschiedlich an. In der reinen Psychiatrie werden nur medikamentöse Behandlungsmethoden angewendet und sonst keine. Ich wusste nicht, wie ich mit den Patienten sprechen sollte, ich wusste nicht, wie ich mit einer 40minütigen Sitzung mein Geld ehrlich verdienen und dem Patienten das geben könnte, was er von mir bekommen wollte. Ich wusste nicht, wie ich ihn behandeln sollte. Ich verschrieb Rezepte und fühlte, dass er etwas anderes brauchte. Ich musste dann in die USA reisen, um eine Schulung zu machen und zu verstehen, wie das geht.
Kann ein dicker Geldbeutel den Psychotherapeuten ersetzen? Nein, das kann er nicht. Den Neurosen ist es absolut egal, ob Sie reich oder arm sind. Die meisten Amerikaner sind selbstsicher, fröhlich und kontaktfreudig. Das sind sie aber nicht dank ihren üppigen Bankkonten, sondern weil es kaum einen Amerikaner gibt, der sich nicht an einen Psychotherapeuten wendet. „Seinen“ Psychotherapeuten zu haben, ist in den USA genauso selbstverständlich, wie „seinen“ Zahnarzt, Friseur oder Buchhalter zu haben.
Was der Psychiater denkt, wenn er mit dem Patienten spricht Zu einem Psychiater gehen Menschen viel weniger gern als zum Beispiel zu einem Zahnarzt. Wahrscheinlich haben sie Angst, dass er sie mit einer Diagnose brandmarkt, die sie dann nie wieder loswerden. Aber haben Sie keine Angst! Er hat kein Recht, Informationen über Sie zum Beispiel an Ihre Arbeitsstelle weiterzuleiten. Das gilt auch für den Fall, wenn Sie „notorisch“ schizophren, ein Epileptiker oder ein „Wahnsinniger“ sind. Und das gilt auch für Gerichte – dort gibt es für den Fall des Falles Gerichtspsychiater. Die Gerüchte über das Brandmarken mit einer Diagnose werden am häufigsten von den wirklich kranken Menschen verbreitet, die schon längst eine Diagnose haben, sich aber trotzdem für gesund halten. Wenn Sie in die Sprechstunde eines Psychiaters geraten, wird er in erster Linie versuchen herauszufinden: a) ob Sie eine psychische Erkrankung haben; b) ob Sie für die Gesellschaft oder für sich selbst eine Gefahr darstellen. Unter Gefahr für sich selbst versteht man die Möglichkeit eines Suizids. Die Gefahr für die anderen können Aggressionen sein, die durch eine Erkrankung hervorgerufen werden. Wenn der Psychiater mit dem Patienten spricht, wägt er vor allem die Kriterien seiner Gefährlichkeit ab, und als zweites und drittes überlegt er, welche Diagnose zu stellen ist und welche Medikamente verschrieben werden sollten. Man ist davon überzeugt, dass die Medizin, darunter auch die Psychiatrie, eine Wissenschaft ist. Es wurden unendlich viele Doktorarbeiten und Bücher geschrieben, es werden wissenschaftliche Symposien abgehalten, es gibt zahlreiche psychiatrische Richtungen. Das Einzige, was es nicht gibt, ist eine deutliche Grenze zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Erkrankung. In manchen Fällen kann man ohne jeglichen Zweifel eine Schizophrenie oder eine andere aktive Psychose feststellen. Jede psychische Erkrankung verläuft aber wellenartig oder wie eine Sinuskurve, und bei weitem nicht immer lässt sich feststellen, ob eine Krankheit vorliegt oder nicht. Mit anderen Worten: Viele Menschen, die tatsächlich an einer psychischen Erkrankung leiden, haben eine gewisse „Pufferzone“ – einen Zwischenzustand oder einen Grenzbereich zwischen psychischer „Norm“ und Erkrankung. Die Anhänger von Freud vertreten die Meinung, dass es zwischen einem psychisch kranken und gesunden Menschen überhaupt keinen Unterschied gibt: Jeder gesunde Mensch soll die gleichen „Anomalitäten“ haben wie auch ein kranker, nur habe der kranke etwas mehr davon. Wir alle seien schizophren – die einer mehr, die anderen weniger. Nein, natürlich sind nicht alle von uns schizophren. Aber obwohl wir keine „eigene“ psychiatrische Diagnose haben, leiden wir trotzdem hin und wieder unter psychischen Störungen - zum Beispiel unter dem Verlust der Selbstbeherrschung auf Grund von starkem Stress, Depressionen oder anderem. Jeder unbegründete Eifersuchtsanfall (die Eifersüchtigen brauchen ja keinen Grund dazu) ist eine Paranoia, eine weibliche Szene kann man ruhig mal als „akute hysterische Reaktion mit nichtadäquatem Verhalten“ bezeichnen und Liebeskummer als „subdepressive Psychose“. Und schließlich muss eine psychische Erkrankung nicht unbedingt etwas schlechtes sein. In der Regel ist es für die Verwandten belastend, aber nicht für den Kranken selbst. Van Gogh litt an Schizophrenie, Gogol an einer manisch-depressiven Psychose und Dostojewski an Epilepsie. Man könnte unendlich Diagnosen großer Künstler und Schriftsteller aufzählen. Waren sie genial, weil sie krank waren? Oder waren sie krank, weil sie genial waren? Es ist sehr schwer, eine Antwort darauf zu finden. Natürlich bedeutet genial nicht „krank“ und „krank“ nicht genial. Dennoch liegen die Begriffe Genie und Wahnsinn nah beieinander Jemand hat einmal bemerkt: „Wenn Christus in unserer Zeit erscheinen würde, würde man ihn auf jeden Fall in ein Irrenhaus sperren.“ Das ist nicht ausgeschlossen.
Was der Psychologe denkt, wenn er mit dem Patienten spricht Der Psychologe ist kein Arzt und stellt keine Diagnosen. Er versucht auch nicht herauszufinden, ob der Patient in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden muss. Für diese Entscheidungen hat er keine Befugnisse. Der Psychologe verordnet keine Medikamente, damit kennt er sich nicht aus. Deshalb kann man sich ohne Bedenken an einen Psychologen wenden. Wenn Sie zu einem Psychologen kommen, beginnt er natürlich mit Ihnen ein Gespräch. Er wird Sie über Ihr Leben, Ihre Reaktionen auf diese oder jene Ereignisse befragen. Während der Therapie wird er Ihnen wahrscheinlich die Ursachen für Ihre Neurose erklären, er wird mit Ihnen optimale Verhaltensweisen in dieser oder jener Situation besprechen, besonders in den „auswegslosen“. Ein dilettantischer Psychologe (davon gibt es leider viele) beginnt gleich, Ihnen Ratschläge zu geben, wie Sie zu denken, sich zu fühlen, sich zu verhalten haben und wie sie diese oder jene Situation bewältigen sollen. Mit anderen Worten: Er wird versuchen, Sie sozusagen mit Glücksverheißungen vor den Kopf zu stoßen. Ein professioneller Psychologe wird das Gespräch so führen, dass Sie selbst die Antworten auf Ihre Fragen finden. Der Psychologe kann nicht Ihre Lebenssituation ändern, er kann aber Ihre Wahrnehmung dieser Situation ändern und Sie damit von Ihrem inneren Konflikt befreien. Als Folge wird sich sowohl Ihr Denken als auch Ihr Verhalten ändern. Vielleicht sind Sie davon überzeugt, dass Ihr Verhalten makellos ist und dass an allem nur andere schuld sind? Nicht Sie, sondern sie – Verwandte, Bekannte und Kollegen – haben Sie in die Sackgasse getrieben und in diese Lage gebracht. Nur ist es so, dass die „anderen“ von sich selbst das Gleiche denken - ihr Verhalten ist makellos und an allem sind Sie schuld, Sie haben sie in die Sackgasse getrieben und in diese Lage gebracht. Der Psychologe ist kein Richter. Er wird nicht klären, wer von Ihnen „schuld“ ist. Die Aufgabe des Psychologen besteht darin, Ihnen zu helfen, die Situation aus einem anderen Blickwinkel, von einem anderen Standpunkt aus zu sehen. Er muss Ihnen helfen, das zu sehen, was Ihnen selbst nicht auffällt. Die Entscheidung darüber, wie Sie sich weiterhin verhalten werden, bleibt Ihnen überlassen. Und wenn Sie eine Lösung finden, dann werden Sie sich von Stress und damit von allen psychosomatischen Leiden befreien. Die Voraussetzungen für den Erfolg der Therapie sind der aufrichtige Wunsch des Patienten, mit der verworrenen Lebenssituation ins Reine zu kommen, aber auch der Professionalismus, die Erfahrung und das Wissen des Psychotherapeuten. Aber bevor der Psychologe Ihre Situation „sieht“, versucht er zuerst, Sie zu „sehen“. Er wird Ihren psychologischen Typ feststellen, mit all seinen Vor- und Nachteilen.
Sind Sie ein Typ oder nicht?Diese Frage zu beantworten ist nicht einfach. Die menschliche Psyche lässt sich nur schwer kategorisieren. In ihr wird alles wie in einer Abstellkammer durcheinander abgelegt. Trotzdem hören die Psychologen nicht auf zu versuchen, in unseren „Abstellkammern“ eine Inventur durchzuführen. Deshalb wurden verschiedene Persönlichkeitstypen erfunden. Diese Typen kommen in Reinform praktisch nie vor, können aber als Orientierung dienen. Deshalb stelle ich Ihnen dies Typen vor.
Der introvertierte Typ (intro: innerhalb von etwas) ist eine Person, die das Leben nach innen lebt, die in sich gekehrt ist. Er braucht kein „Energietanken“ von außen, neigt zur Einsamkeit, er philosophiert, sammelt und liebt Ordnung. Nicht nur Jung unterteilt die Menschen in zwei Kategorien, das machen auch die meisten von uns. Nur haben wir andere, alltäglichere Kriterien: bekannt – unbekannt; Freund – Feind; klug – blöd; fieser Kerl – guter Kerl. Jeder hat zweifelsohne seine eigene Ansicht darüber, zu welcher „Kategorie“ er gehört. Und diese Ansicht ist natürlich absolut richtig und darf nicht in Zweifel gezogen werden. Denn wir sind ja höfliche Menschen, nicht wahr? Und Höflichkeit, sagt man, ist die Fähigkeit zu verbergen, wie hoch wir uns selbst schätzen und wie klein und armselig uns die anderen vorkommen. Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, teilte die Menschen in drei Typen ein: „Psora“, „Sykosis“ und „Syphilis“. Originell, oder? Seine Klassifikation beruht auf Varianten der menschlichen Reaktionen auf verschiedene Situationen, wobei die Reaktionen nach den Mustern Schuppenflechte (Psoriasis), Gonorrhoe oder Syphilis ablaufen. Das ist eine durchaus vielseitige Klassifikation, an die sich die Homöopathen streng halten. Ich haben ihren Standpunkt nicht zur Belustigung angeführt (ich habe großen Respekt Hahnemann gegenüber), sondern als ein Beispiel dafür, dass es auch sehr spezielle Methoden zur Analyse der menschlichen Psyche gibt. Wer wissen will, wie „Psora“ und andere Typen auf verschiedene Lebenssituationen reagieren, möge in der homöopathischen Literatur nachlesen. Ich werde die pikanten Einzelheiten jetzt nicht beschreiben. Unter den verschiedenen Einteilungen der Menschen in vier Typen sei die von Hippokrates erwähnt. Streng genommen ist es keine Klassifikation von Typen, sondern von Temperamenten. Ich möchte den Unterschied zwischen Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker und Melancholiker nicht ausführlich beschreiben, denn ich nehmen an, dass er Ihnen bereits bekannt ist. Also etwas ähnliches wie: Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker.
Unter den Klassifizierungen der Menschen in viele psychologische Typen ist aus meiner Sicht die des deutschen Psychiaters Karl Leonhard am interessantesten, der den Begriff „akzentuierte Persönlichkeit“ in die Psychologie einführte. Akzentuierungen sind die psychologischen Besonderheiten eines Menschen, die ihm seinen individuellen Charakter verleihen. Nach Meinung von Leonhard besteht die Hälfte der Bevölkerung unseres Planet aus akzentuierten Persönlichkeiten und die andere Hälfte aus „normalen“ Menschen. Aber auch der „normale Typ“ besitzt diese oder jene Akzentuierungen, die aber nicht stark ausgeprägt sind.
In seinen Werken behandelt Leonhard alle möglichen Kombinationen von
Charaktereigenschaften und Temperamenten. Lassen Sie uns die komplizierte
Fachsprache vereinfachen, die Fachterminologie beiseite schieben und alles
in eine verständliche Sprache übersetzen – die Spezialisten werden uns
diese freie Interpretation verzeihen.
Hysteroid ist ein psychologischer Begriff, der mit hysterischen Anfällen und Geschirrzertrümmern nichts zu tun hat. Die Hysteroiden (d. h. die Schauspieler im Leben, aber nicht unbedingt beruflich) kleiden sich grell und mit Geschmack, sie unterscheiden sich durch ihr manieriertes Verhalten. Er oder sie liebt es, die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu ziehen. Es sind lebhafte, interessante, auffallende und redselige Menschen mit großer Phantasie. Sie sind aber auch lügnerisch: Es fällt ihnen leicht, sich aus jeder Situation herauszuwinden, indem sie sich schnell ein Märchen einfallen lassen. Typisch für sie sind Selbstlob und Selbstmitleid. Bei ihnen ist alles übertrieben. Als Kinder versuchen sie ständig, ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Erwachsenen und Gleichaltrigen zu rücken, wozu sie oft absurde Sachen anstellen. Eigentlich ist aber jedes Kind in einem gewissen Maße hysteroid. Für diese Menschen ist Unbesonnenheit typisch, sie treffen oft unbedachte Entscheidungen, für die sie später bezahlen müssen. Manchmal täuschen sie einen Selbstmordversuch vor, was aber niemals, höchstens aus Versehen, mit einem tatsächlichen Suizid endet. Die „Schauspieler“ sehen sich nicht so, wie sie in Wirklichkeit sind, sondern so, wie sie möchten, dass die anderen sie sehen. Man kann sich nicht auf sie verlassen, weil sie einfach vergessen, was sie versprochen oder zugesagt haben. Sie meiden Schwierigkeiten, und zwar oft durch Krankwerden. Ihre ständigen Begleiter sind Erschöpfung des Nervensystems, schwaches Herz (bei einem normalen Kardiogramm), Migräne, verschiedene Phobien und anderen psychosomatische Störungen.
Ich würde es vorziehen, mein Auto bei einem Pedanten reparieren zu lassen. Ein pedantischer Arzt ist aber eine zwiespältige Angelegenheit: Er wird den Patienten mit allen denkbaren und undenkbaren Analysen, Untersuchungen und Behandlungen quälen. Dafür aber wird er ihm dank seinem perfekten Wissen über alle Anzeigen und Gegenanzeigen genau das Heilmittel verschreiben, das er braucht. Ein pedantischer Buchhalter (übrigens nur ein Pedant kann Buchhalter sein) wird dem Geschäftsführer verständlich erklären, wie man sich an alle möglichen Vorschriften halten kann und muss; allerdings kann dadurch das Unternehmen an den Rand des Abgrunds geraten. Ein Pedant sein – ist das gut oder schlecht? So eindeutig lässt sich das nicht beantworten. Es regnet – ist das gut oder schlecht?
Das aber ist eher schlecht als gut (auch wenn die Geschmäcker verschieden sind). Im Vordergrund steht bei diesen Menschen die Fixierung auf Kränkungen, Verdächtigungen, erlittenen oder eingebildeten Ungerechtigkeiten. Wenn ein nicht nachtragender Mensche jemandem beleidigt ist, schmollt er einen Tag lang und dann ist die Sache vergessen. Der Nachtragende hingegen reagiert auf die „Ungerechtigkeit“ mit gleicher Intensität wie zu Beginn, auch wenn er einen Tag, eine Woche oder ein Jahr später daran denkt. In seinen Gedanken schmiedet er Rachepläne und er führt jahrelang ein imaginäres Gerichtsverfahren. Diese Menschen sind äußerst misstrauisch. Sie sind davon überzeugt, dass in der Arbeit die Kollegen hinter ihrem Rücken Intrigen gegen sie spinnen. Sie sind prinzipiell eifersüchtig. Jede Handlung ihres Ehepartners oder ihrer Ehepartnerin wird als ein „Schuldbeweis“ ausgelegt: Wenn die Frau fünf Minuten später als sonst von der Arbeit kommt, dann denkt der Nachtragende: „Sie hat mich wieder mit diesem Kahlköpfigen hintergangen“; wenn er am Telefon hört „Entschuldigung, ich habe mich verwählt“, denkt er: „Dieser kahlköpfige Dreckskerl will checken, ob ich zu Hause bin oder nicht“. Vielleicht aber gilt: „Wenn man nicht eifersüchtig ist, dann liebt man nicht“? Vielleicht ist es so. Dann könnte man aber auch behaupten: „Wenn er mich nicht schlägt, dann liebt er mich nicht“. Wie gesagt, Geschmäcker sind verschieden.
In der Regel gehören dazu primitive Menschen mit athletischem Körperbau, die wie Banditen aussehen. Toleranz ist ihnen fremd. In Konfliktsituationen fällt ihnen nie etwas anderes ein, als die Streitigkeit mit den Fäusten zu regeln. Ihnen reicht eine Kleinigkeit, um eine Schlägerei anzuzetteln. Manchmal suchen sie sich ganz bewusst ein Opfer (nach dem Schema „Haben Sie Feuer?“). Ihren Traumjob finden diese Menschen im Ordnungs- und Sicherheitsdienst. Oder sie finden sich unter denen wieder, vor denen man sich schützen muss.
Im Algemeinen handelt es sich um interessante Menschen, sie ziehen andere an, sie sind im Ausdruck sehr gewandt und haben Humor. Man darf sich aber nicht auf sie verlassen.
Wenn wir versuchen, alles, was dieser Mensch sagt, in einem Satz auszudrücken, wird er so lauten: „Alles ist schlecht.“ Wenn man bei einem Ereignis sowohl positive als auch negative Seiten sehen kann, findet der Pessimist nur schwarze Töne. Wenn man ihm sagt: „Es regnet, die Ernte wird gut!“, antwortet er: „Nein, alles wird weggeschwemmt, nichts wird wachsen“. Wenn sich etwas nur als gut auslegen lässt und auf keinen Fall als schlecht, verdreht der dysthyme Typ alles zum Schlechten. Man sagt: „Ihre Tochter wurde an der Uni immatrikuliert. Gratuliere!“ – „Ach, lassen Sie das. Was wird man ihr dort schon beibringen? Nur Rauchen und Trinken“. Wenn der Pessimist eine gute Familie hat, kann es für ihn bedeuten: „Ich bin denen nur im Weg“. Wenn er einen sicheren Arbeitsplatz hat, dann lebt er in der ständigen Angst, diesen bei der nächstbesten Gelegenheit zu verlieren. Der Pessimist erwartet immer ein Unglück, und seine Interpretationen von Ereignissen sind immer mit dieser Erwartung vermischt. Diese Menschen sind sehr schwierig für ihre Umgebung, besonders für die Verwandten, die die negative Energie der Depressionen ertragen müssen. Es ist unmöglich, den Pessimisten vom Gegenteil zu überzeugen. In schlimmen Fällen werden solche Versuche als eine Bestätigung dafür ausgelegt, dass „ich überflüssig bin“ - und bis zu einem wirklichen, nicht demonstrativen (wie beim Hysteriker) Selbstmordversuch ist es nicht mehr so weit.
Für ihn ist die Abwechslung „schneller“ (hypomaniakaler) und „depressiver“ („pessimistischer“) Phasen charakteristisch. Bei den meisten von uns wechseln sich gute und schlechte Stimmung, Depression und Optimismus, Glück und Unglück ganz natürlich ab. Die Zykloiden unterscheiden sich von den anderen dadurch, dass bei ihnen diese Pole viel deutlicher ausgeprägt und die Grenzen dazwischen nicht so klar sind.
Von diesen Menschen sagt man: „Sie schwanken zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt“. Bei ihnen gibt es keine Mitte. Sie sind äußerst naiv. Auf alles reagieren sie mit großen Augen: „Oh, das ist ja außergewöhnlich! Wie interessant!!! Das ist einfach unglaublich!!!“. Sie glauben an UFO, „Geister“, sie nehmen Komplimente für bare Münze und schmelzen dahin. Ihr ganzes Leben lang bleiben sie etwas kindisch.
Als Kinder hatten diese Menschen immer vor irgendwas Angst: vor Hunden, Lehrern, älteren Kindern, Dunkelheit oder Gewitter. Ihre Gleichaltrigen durchschauten sie schnell, stießen sie aus, verspotteten und verhöhnten sie. Wenn sie erwachsen werden, dann sieht es um sie anders aus: Die Angst rückt in den Hintergrund, in den Vordergrund tritt Unentschlossenheit, Mangel an Selbstbewusstsein, Schüchternheit und Demut. Sie sind nicht dazu fähig, ihre Position zu verteidigen, sie können nicht beharrlich sein. Sie leiden unter Minderwertigkeitskomplexen. Sie machen sich Sorgen um sich selbst und die anderen. Sie kümmern sich sehr um ihre Gesundheit. Unter diesen Menschen finden sich viele Hypochonder: Es kommt ihnen so vor, als ob sie eine verborgene Krankheit hätten, die niemand feststellen kann.
Das sind milde, herzliche, offene, sensible, teilnahms- und
verständnisvolle Menschen. Tschechow bezeichnete sie als „Seelchen“. Sie
können die Schmerzen der anderen nicht ertragen. Wenn jemand weint, kann
das „Seelchen“ sofort auch in Tränen ausbrechen. Sie weinen oft, wenn sie
einen Film sehen oder einen Roman lesen. Diese Menschen lieben Kinder und
Tiere. Sie teilen ihre Freuden und Kummer gerne mit anderen, sie schätzen
die Kunst und das Theater. Zu welchem psychologischen Typ gehören Sie? Wahrscheinlich wird sich der Psychologe oder Psychotherapeut diese Frage stellen, wenn Sie in seine Sprechstunde kommen. Was macht er dann weiter? Das hängt von seiner Spezialisierung ab. Was ich Ihnen jetzt beschreibe, ist keineswegs eine erschöpfende und ausführliche Darstellung verschiedener Methoden der Psychotherapie. Mein Ziel ist zu zeigen, dass die Psychotherapie nicht nur darin besteht: „Schließen Sie die Augen… Sie fühlen sich gut… öffnen Sie die Augen… Sie sind gesund“. Sie ist etwas wesentlich Umfassenderes und Effektiveres.
Beim Psychoanalytiker in der Sprechstunde
Zurzeit ist es Mode, alle als Psychoanalytiker zu bezeichnen, die psychologische Beratung anbieten. In Wirklichkeit ist aber nicht jeder, der die Psyche analysiert, ein Psychoanalytiker. Dazu gehören nur diejenigen, die die Methode Sigmund Freuds und seiner Nachfolger anwenden. Wahrscheinlich haben Sie irgendein Buch von Sigmund Freud gelesen. Aber sind Sie damit auch bis zum Ende gekommen? Das ist ja keine leichte Sache. Man schafft es nicht, den Stoff schnell zu verarbeiten. Deshalb möchte ich für diejenigen, die „wenig Zeit“ haben, das Konzept kurz darstellen, das einen großen Einfluss nicht nur auf die Medizin, sondern auch auf die Philosophie, Musik, Malerei und das Kino ausübte. Wenn man versucht, das Wesen der Psychoanalyse in einem Satz auszudrücken, dann würde er so lauten: Das menschliche Verhalten ist nicht mit den bewussten psychischen Vorgängen zu erklären, sondern mit den unbewussten. Freud meinte, dass es in ein und demselben Menschen mehrere voneinander unabhängige Teile des Seelenlebens gibt. Einige von ihnen werden vom Bewussten gesteuert und einige von einem gewissen Unbewussten. Laut Freud ist ein psychisches Element, zum Beispiel eine Vorstellung, gewöhnlich nicht dauernd bewusst. Die jetzt bewusste Vorstellung ist es im nächsten Augenblick nicht mehr. Wenn man will, kann sie aber wieder ins Bewusste zurückgeholt werden. Was bedeutet es, sich etwas bewusst machen? Wenn man ein Bild, ein Gefühl oder eine Vorstellung verbalisiert, d. h. mit Worten ausdrückt. Das Bewusste bezeichnete Freud als das Ich und das Unbewusste als das Es. Es gibt aber auch das Über-Ich. Nach Freud sieht die Struktur unserer Psyche folgendermaßen aus. Das Über-Ich ist der Geist, das Gewissen, das Schuldgefühl, das religiöse und soziale Gefühl, der Respekt dem Vater oder dem Lehrer gegenüber. Das Ich ist das Bewusstsein - Verstand, Logik und Vernunft. Es beherrscht die Bewegungsabläufe, verdrängt Bilder und Vorstellungen ins Unbewusste und lässt diese nicht ins Bewusste zurück. Das Es ist etwas Unbewusstes. Hier dominieren Leidenschaften, Triebe und Gelüste.
Wie das Ich, das Über-Ich und das Es miteinander leben könnenDas Ich versucht ständig, die vom Es ausgehenden Triebe zu unterdrücken. In der Nacht geht das Ich schlafen und zensiert die Träume. Das Über-Ich entstand auf Grund des archaischen „Ödipuskomplexes“. Ödipus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. Er ermordete seinen Vater und heiratete seine eigene Mutter. Freud interpretierte diese Tat als ganz natürlich. Denn jeder Mann, unabhängig davon, ob er es zugibt oder nicht, hasst unbewusst seinen Vater und empfindet im Verborgenen eine sexuelle Zuneigung zu seiner Mutter. Dieser Hass ist auf die Zeiten zurückzuführen, als die Menschen noch als eine Urgesellschaft lebten, in der der erbarmungslose Vater eine führende Stellung einnahm. Er behielt die schönsten Weibchen für sich und vertrieb die Söhne aus der Gemeinschaft. Eines Tages platze die Geduld der Nachkommen, sie fassten Mut, ermordeten den Vater und aßen ihn auf. Ihnen war aber klar, dass das gleiche jedem von ihnen zustoßen könnte. Deshalb führten sie zwei Tabus ein: das Verbot des Mordes innerhalb des Geschlechts und das Inzestverbot, also den Geschlechtsverkehr zwischen Blutsverwandten. Aus dem Zwang, sich an diese Tabus zu halten, und aus dem Streben danach, diese zu verletzen, entstand der Komplex, den Freud nach Ödipus benannte: der unbewusste Wunsch, den Vater loszuwerden und die eigene Mutter zu heiraten. Wie ein Kind, das auf seine Eltern hören muss, unterstellt sich das Bewusste (Ich) einerseits dem kategorischen Imperativ des Geistes (Über-Ich) und andererseits will es über das Es herrschen, in dem zwei Arten von Trieben dominieren: der Sexualtrieb und der Todestrieb. Der Sexualtrieb umfasst nicht nur das eigentliche sexuelle Verlangen, sondern auch seine Sublimationen, die Übertragung der sexuellen Energie in die Kunst oder eine andere nicht sexuelle Tätigkeit. Was hat der Todestrieb damit zu tun? Jeder Mensch hat ja einen Selbsterhaltungstrieb. Ja, jeder hat ihn. Er kommt aber wunderbar mit dem Streben danach aus, alles Lebende in einen leblosen Zustand zurückzuversetzen, d.h. mit dem Zerstörungstrieb und dem ewigen Trieb zu Konflikten und Kriegen. Ausgehend von diesen zwei Trieben, Eros und Thanatos, ist der Mensch in allem zwiespältig, ambivalent. Denn nicht umsonst grenzt die Liebe an den Hass, die Schöpfung an die Zerstörung und die Genialität an die Bosheit. Es sei nebenbei bemerkt, dass auf diesen zwei Säulen der Journalismus in der ganzen Welt beruht – die Menschen lesen am liebsten über Sex oder Krieg.
Woher kommen und wohin verschwinden die NeurosenUnter einer Neurose versteht man nicht nur psychisches Unwohlsein, sondern auch Funktionsstörungen der inneren Organe: vegetative Dystonie, Migräne, Herzanfälle, verschieden Krämpfe und andere Unannehmlichkeiten. Freud meinte also, dass alle Menschen an „unbewussten Erinnerungen“ leiden und die Krankheitssymptome nur die Symbole dieser Erinnerungen sind. Daraus lässt sich folgern: Um eine psychosomatische Erkrankung zu heilen, muss man in erster Linie das ursprüngliche Trauma aufspüren, das in der Regel verdrängt wurde, aber nicht verschwunden ist (siehe. das Beispiel im Kapitel Welche Diagnose Doktor Freud stellen würde). Um das Trauma aufzudecken, müssen durch die Psychoanalyse die „Erinnerungen aufgerollt“ werden. Alles muss ins Gedächtnis gerufen werden, ausgehend vom gegenwärtigen Zeitpunkt bis in die frühe Kindheit zurück. Nicht ausgespart wird das, was für den Patienten am unangenehmsten ist. Wenn Sie deshalb zu einem echten Psychoanalytiker kommen, wird er Sie bitten, sich auf die Couch zu legen und alles, aber wirklich alles zu sagen, was Ihnen einfällt, ohne das Gesagte zu analysieren. Die Analyse ist ja seine Aufgabe. Jeder Mensch hat in seinem Leben viele Unannehmlichkeiten. Nicht jede davon hat aber eine Krankheit hervorgerufen. Eine Krankheit entsteht nur dann, wenn man seine Kränkungen und negativen Emotionen unterdrücken musste. Die Stressmomente, die ins Unbewusste eindringen, belasten die Seele und wandern dann über das vegetative Nervensystem in die inneren Organe. Die psychische Disharmonie, die zu den Krankheiten führt, tritt auch dann auf, wenn der Mensch die verschiedenen seelischen Vorgänge nicht mehr auf die Reihe bringt. Nach Meinung von Freud erinnert ein Neurotiker an eine Frau, die nach einem Einkauf auf dem Nachhauseweg viele Schachteln und Tüten trägt. Die Hände reichen ihr nicht mehr aus und die Sachen fallen auf den Boden. Sie bückt sich, um eine Tüte aufzuheben, und lässt dabei etwas anderes fallen. Und so geht das unendlich weiter Bei seinen Behandlungen fiel Freud auf, dass es eine Kraft gibt, die verhindert, dass Erinnerungen aus dem Unbewussten ins Bewusste gelangen. Das heißt, dass sich der Patient unbewusst seiner Genesung widersetzt. Deshalb muss der Psychoanalytiker (nach meiner Meinung auch der Heilpraktiker) diesen unbewussten Widerstand brechen können. Die Verlagerung von Erfahrungen aus dem Bewussten ins Unbewusste bezeichnete Freud als Verdrängung. Genau diese Verdrängung ist die Ursache für einen inneren Konflikt, eine Neurose oder eine psychosomatische Störung. Ich möchte das an einem Beispiel veranschaulichen. Eine Patientin erkrankte unmittelbar nach dem Tod ihrer Lieblingsschwester. In diesem Fall spielte der Tod selbst keine Rolle. Diese Frau war einfach in den Mann der verstorbenen Schwester verliebt und für einen Augenblick freute sie sich unbewusst über den Tod der Schwester. Das Unbewusste wurde bewusst. Aus dem Es ging die Freude ins Ich über. Dabei entstand sofort ein Konflikt mit dem Über-Ich (dem Gewissen), und das Erlebnis wurde wieder ins Es verdrängt und vergessen. Aber die Krankheit blieb. Mit Hilfe der Psychoanalyse wurde dieses vergessene Erlebnis aufgespürt. Wie lief die Behandlung ab? Der Patientin wurde der Kern ihres inneren Konflikts erklärt. Als Folge fand bei ihr eine Katharsis (die psychische Reinigung) statt und sie wurde gesund. Freund glaubte, dass die Ursache jeder funktionalen Erkrankung in erotischen Faktoren liege. Er schreibt: „Störungen der Erotik muss die größte Bedeutung unter den zur Erkrankung führenden Einflüssen zugesprochen werden. Ich weiß, diese Behauptung wird mir nicht gern geglaubt. Viele sind geneigt zu meinen, dass ich den ätiologischen Anteil der sexuellen Momente überschätze, und wenden sich an mich mit der Frage, warum denn nicht auch andere seelische Erregungen zu den beschriebenen Phänomenen der Verdrängung und Ersatzbildung Anlass geben sollen. Ich weiß nicht, warum sie es nicht sollten, habe auch nichts dagegen, aber die Erfahrung zeigt, dass sie solche Bedeutung nicht haben, dass sie höchstens die Wirkung der sexuellen Momente unterstützen, nie aber die letzteren ersetzen können. Die Menschen sind überhaupt nicht aufrichtig in sexuellen Dingen. Sie zeigen ihre Sexualität nicht frei, sondern tragen eine dicke Oberkleidung aus Lügengewebe zu ihrer Verhüllung, als ob es schlechtes Wetter gäbe in der Welt der Sexualität.“ Nach Freud wird man also krank, wenn man wegen „moralischer“ Hindernisse seine erotischen Leidenschaften nicht befriedigen kann. Dann flieht man in die Krankheit, die das mangelnde Vergnügen ersetzte. Deshalb widersetzt sich das Ich der Genesung, als ob es sagen würde: „Wenn ich gesund werde, was gebt ihr mir dafür?“. Eine Neurose ersetzt sozusagen das Kloster, in das sich ein Mensch zurückzieht, wenn er vom Leben enttäuscht ist oder sich zu schwach dafür fühlt. Sind Sie damit nicht einverstanden? Dann hat Ihre Krankheit gegen Sie noch einen Trumpf.
Warum man während der Behandlung Unsinn reden mussIn der Psychoanalyse gibt es drei Methoden zur Untersuchung des Unbewussten: die Interpretation von Gedanken, die Analyse der Träume und die Interpretation von Fehlleistungen. Zu letzteren gehören das vorübergehende Vergessen von Vertrautem, Schreibfehler, Versprecher, das Verlieren und die Beschädigung von Sachen, das Herumspielen mit Gegenständen, das leise Singen von Melodien usw. Im Seelenleben gibt es keine Zufälle. Durch die Analyse dieser Fehlleistungen kann der Psychoanalytiker auf Ihre wirklichen, dem eigenen Bewusstsein verborgenen Absichten und Wünsche schließen, die die Ursachen der Krankheitssymptome sind. Genau um diese verborgenen Komplexe ans Tageslicht zu bringen, wird der Psychoanalytiker Sie bitten, alles auszusprechen, was Ihnen einfällt. Wahrscheinlich werden Sie antworten, dass Sie nichts zu sagen hätten und dass Ihnen nichts einfalle. Und der Analytiker wird zu erreichen versuchen, dass Sie die innere Zensur abschütteln und sagen, was Sie wollen, sogar das, was Ihrer Meinung nach mit der Sache nichts zu tun hat, was sinnlos ist, was für Sie unangenehm ist. Um Ihnen zu helfen, ist es für den Psychoanalytiker wichtig, Sie von Ihrem Bewusstsein (Ich) abzugrenzen, es zu blockieren und das Unbewusste (Es) zu befreien. Andeutungen und Versprecher werden von ihm besonders sorgfältig interpretiert, denn ein zufälliger Gedanke oder eine absurde Wortkombination sind ein guter Hinweis darauf, in welche Richtung man gehen muss, um den Konflikt aufzuspüren. Er muss von Ihnen etwas erfahren, was Sie selbst nicht wissen und wovon Sie überhaupt nichts ahnen. Der Psychoanalytiker hält sich an diese Regeln und verschafft sich dadurch die Grundlage für seine Diagnose.
Drei Methoden zur Heilung der Neurose1. Der verdrängte Wunsch muss aufgespürt und erfüllt werden. Aufspüren ist klar. Aber was bedeutet „erfüllen“? Muss man wirklich, um zum Beispiel Migräne loszuwerden, den Gegenstand seiner sexuellen Fantasie ausfindig machen und ihn unbedingt ins Bett zerren? Nein. Es reicht, wenn man diesen Wunsch nicht tatsächlich erfüllt. Das wichtigste ist, den negativen Emotionen Luft zu machen und aus seinem Unbewussten das zu entfernen, was einem stört und sich in eine Krankheit verwandelt hat. 2. Wenn Sie Ihren verborgenen Wunsch nicht vertreiben wollen, kann man ihn sublimieren, d. h. die sexuelle Energie und die „verbotenen“ Impulse auf etwas „Erlaubtes“ richten, was mit Sex nichts zu tun hat,. Wenn Sie zum Beispiel eine schöpferische Begabung haben, dann kann der innere Konflikt aus den Krankheitssymptomen in literarische Werke umgewandelt werden. Die Hauptsache ist, sich mit etwas zu befassen: Ein Gewerbe anmelden, die Wohnung renovieren - also die Energie, die die Krankheit hervorgerufen hat, in eine andere Bahn lenken. 3. Die letzte Variante. Sie beseitigen Ihren Komplex nicht und leiten ihn auch nicht um. Aber nach den psychoanalytischen Sitzungen erkennen Sie ihn und stehen nun dem, was Ihr Leben gestört und über Ihre Gesundheit kommandiert hat, kritisch gegenüber. Vielleicht war es nicht nötig, in diesem Buch die theoretischen Grundlagen der Psychoanalyse zu beschreiben. Aber erstens ist das interessant, oder? Und zweitens: Nach der Lektüre dieses Kapitels werden Sie, wenn Sie zu einem Psychoanalytiker kommen, besser verstehen, worauf er hinaus will.
Was im Gehirn eines Kollektivs abläuftCarl Gustav Jung, der Schüler von Freud, meinte, dass es nicht nur ein persönliches, sondern auch ein kollektives Unbewusstes gibt. Der Inhalt des kollektiven Unbewussten gehört nicht einem Menschen, sondern einer Gruppe. Diese Gruppe kann sowohl eine Familie als auch das Arbeitskollektiv, das Land oder die ganze Bevölkerung des Planeten sein. Das kollektive Unbewusste kommt nicht im Laufe eines Lebens zustande. Es handelt sich um Instinkte, die sich im Laufe von Jahrtausenden entwickelt haben. Im Gegensatz zum persönlichen Unbewussten ist das kollektive Unbewusste bei allen Menschen gleich. Das persönliche Unbewusste des Menschen ist das Es und das kollektive besteht aus den so genannten Archetypen. Archetyp ist eine Abkürzung von „archaischer Typ“. Das Wort archaisch betont, dass diese Gebilde seit undenkbaren Zeiten existieren. Unter einem Archetyp versteht man nur den psychischen Inhalt, der noch nicht bewusst verarbeitet wurde. Daraus folgt, dass das keine allgemein gültige Regeln und Bräuche sind, sondern etwas anders, was man – wenn man so sagen darf - spüren, aber nicht begreifen kann.
Ohne Maske sind Sie schönerAls Jung den Begriff des kollektiven Unbewussten einführte, verneinte er keinesfalls dessen persönliche Komponente, die er folgendermaßen auslegte: In ein und demselben Menschen können quasi „mehrere Persönlichkeiten“ enthalten sein, was eine ganz normale Erscheinung sei. Wenn man einen Menschen in verschiedenen Situationen beobachtet, sieht man, wie schlagartig sich der Charakter und das Verhalten dieses Menschen ändern können. Die Menschen sind gezwungen, sich mindestens in zwei verschiedenen Bereichen zu bewegen: zu Hause und in der Arbeit. Diese zwei Umgebungen spalten den Charakter. Nicht selten kommt es vor, dass Menschen, die im öffentlichen Leben äußerst energisch, mutig und hartnäckig sind, sich zu Hause als sanft, gutherzig und nachgiebig herausstellen. Oder umgekehrt. Welcher Charakter ist der wahre? Wo ist die wahre Persönlichkeit? Jung meinte, dass ein Mensch mit gespaltenem Charakter gar keinen wahren Charakter habe – er sei nicht individuell. Dieser Mensch sei kollektiv. Er versuche, sich an die äußeren Umstände anzupassen, um den allgemeinen Erwartungen zu entsprechen. Wäre er individuell, hätte er – bei aller Unterschiedlichkeit von Einstellungen – immer ein und denselben Charakter und würde sich der Situation nicht anpassen. Jeder Mensch ist aber doch einzigartig, und das bedeutet individuell. Deshalb meinte Jung, dass der Mensch mit einem gespaltenen Charakter unbewusst individuell ist. In verschiedenen Situationen setzt er verschiedene Masken auf und täuscht damit die anderen. Aber vor allem täuscht er sich selbst, indem er versucht, den „benötigten“ Charakter für seinen wahren auszugeben. Wegen der verschiedenen Masken sieht er sein eigenes Gesicht nie. Die Maske bezeichnete Jung als „Person“ (das Wort persona bezeichnete ursprünglich die Maske des antiken Schauspielers) und den inneren Charakter als „Seele“. Genau so wie die Maske sich unter Einfluss der Umwelt formt, so wird die Seele unter dem Einfluss des Unbewussten geprägt. Die Person (Maske) ist also die Anpassungsreaktion, das Verhalten, das den äußeren Umständen entspricht. Das ist der scheinbare Charakter eines Menschen. Wie ist dann seine Seele? Das weiß niemand, nicht einmal er selbst. Aber die Seele enthält in der Regel alles, was die Maske nicht hat. Ein scheinbar brutaler und rücksichtsloser Tyrann kann innerlich unselbständig, ängstlich und voller Selbstzweifel sein. Oder es stellt sich „plötzlich“ heraus, dass eine höchst weibliche Frau hartnäckig und willensstark ist. Dieser Gegensatz lässt sich leicht erklären. Sowohl die Seele als auch die Maske haben männliche und weibliche Eigenschaften – es kommt auf die Proportionen an.
Haben Sie gelernt, sich über Hindernisse zu freuen?Dieser Satz ist an einem tibetischen Tempel zu lesen. Ich weiß nicht, ob der österreichische Psychologe Alfred Adler ihn kannte, aber er gibt das Wesen seiner Lehrer wieder. Adler meinte, dass jeder Mensch von Kindheit an unter Minderwertigkeitsgefühlen leide, dass er sein ganzes Leben lang versuche, seine Schwächen zu überwinden, um letztendlich ein Gefühl von Überlegenheit zu erreichen. Der Wunsch, seine Kraft zu spüren, bringt die einen an die Macht, die anderen an ein vages Endziel, die Selbstverwirklichung, und die dritten zur schöpferischen Tätigkeit, zur Kunst. Mit anderen Worten: Das Streben nach Macht und Erkenntnis sowie die schöpferische Betätigung sind nur ein unbewusster Ausgleich für das Minderwertigkeitsgefühl. Aber je mehr bei einem Menschen zum Beispiel das Machtstreben ausgeprägt ist, desto schwächer ist sein Gefühl für gesellschaftliche Pflichten. Er sieht in den anderen Feinde, die ihm nur Schlechtes wollen. Die ganze Menschheit und ihre Probleme kommen ihm fremd und unbedeutend vor. Deshalb ist es kein Wunder, dass „mächtige“ Politiker oft Minderwertigkeitsgefühle haben und gegenüber den Wählern gleichgültig sind. Für die meisten von uns ist es wichtig, sich bedeutsam zu fühlen. Sobald wir unsere soziale Nutzlosigkeit empfinden, verstärkt sich das Minderwertigkeitsgefühl. Wie entsteht dieses Gefühl? Wenn ein Kind in seiner Entwicklung mit einem körperlichen Defizit zu kämpfen hat, wenn es nicht schön, nicht so groß ist oder übergewichtig ist, sieht es diesen Fehler als großes Manko und richtet sein Leben so ein, dass es diesen Fehler tarnen kann. Manchmal ist dieser Fehler gar nicht vorhanden, sondern nur eingebildet. Oder nehmen wir als Beispiel die so genannten „herzlosen“ Kinder. Sie sehen überall Feinde und verhalten sich so, als ob sie sich immer in einem feindlichen Lager befinden würden. Das ist einfach eine Art, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die Autorität zu „erringen“. Wenn diese Kinder erwachsen werden, behalten sie das gleiche Verhaltensmuster den anderen gegenüber bei. Die größte Gruppe bilden aber wohl die verwöhnten Kinder. Sie fühlen sich so, als ob sie das Zentrum des Universums wären: Um sie kümmern sich die Eltern, die Omas, die Verwandten, wie Kometen huschen die Kindermädchen, Lehrer und teure Spielsachen vorüber. Wenn die Zeit kommt, sich auf eigene Beine zu stellen, fühlt sich dieses Kind wie ein aus dem Paradies Verstoßener. Ihm fehlt die seelische Wärme und es gelingt ihm nicht, sich mit anderen Menschen zu verstehen, besonders nicht mit dem Ehepartner bzw. der Ehepartnerin, die wie es selbst vom „Zentrum des Universums“ stammen. Die Aufgabe des Psychotherapeuten besteht darin, die Fehler zu finden, die in der frühen Kindheit gemacht wurden und das Minderwertigkeitsgefühl bewirkt haben. Außerdem muss er dem Patienten diese Fehler erklären, ihm die Mechanismen, die zu diesen Fehlern geführt haben, begreiflich machen und den Weg zu psychischer Ausgeglichenheit zeigen. Adler verneint angeborene Fähigkeiten. Er meint, dass alle großen Errungenschaften der Menschen das Ergebnis einer richtigen Lehrmethode, der Hartnäckigkeit und der entsprechenden Übung sei. Der Mensch kann die besten Ergebnisse nicht dank seinen Begabungen erzielen, sondern nur durch den ständigen Kampf mit den Schwierigkeiten, denen er auf seinem Weg begegnet. „Geben Sie mir ein Dutzend normale Kinder, eine spezifische Umgebung für ihre Erziehung und ich versichere Ihnen, dass ich aus jedem einen Spezialisten einer beliebigen Fachrichtung mache: einen Arzt, Juristen, Armen oder Dieb - unabhängig von seinen Begabungen, Neigungen, Fähigkeiten und seiner Berufung“, behauptete Watson, Behaviorist und Adlers Zeitgenosse. Was Behaviorismus ist, klären wir später. Zunächst wollen wir erfahren, was uns Erich Fromm, ein Vertreter der Neopsychoanalyse, erzählen würde, wenn wir zu seiner Sprechstunde kämen.
Ich und Pseudo-IchIm Laufe des Lebens, würde uns Fromm sagen, begreift sich jeder von uns immer mehr als Individuum. Dieser Vorgang führt zu Absonderung von den anderen Menschen und zu Einsamkeit. Außerdem fühlt sich jeder Mensch unsicher, denn das soziale System drängt uns seinen Rhythmus auf und versucht, aus uns kleine Rädchen an einer großen, unbegreiflichen Maschine zu machen. „Im Unterschied zu meinem Kollegen Adler helfe ich den Patienten mit der Psychoanalyse nicht, sich von Minderwertigkeitsgefühlen zu befreien, sondern vom Gefühl der Hoffnungslosigkeit.“ Aber sehen wir zuerst, wie wir unbewusst versuchen, uns selbst an diese Welt anzupassen. Ein Kind, das von seinem Vater ständig tyrannisiert wird, gewöhnt sich an unbedingten Gehorsam. Als Erwachsener wird er als sozialer Masochist sein Vergnügen an der Unterwürfigkeit finden. Er unterwirft sich seinem Vorgesetzen, seiner Frau oder sonst jemandem. Ein anderes Kind, das gegen die väterliche Autorität aufbegehrt und das Verhalten des Vaters nachahmt, kann den Sinn des Lebens im Sadismus finden. Eine der Möglichkeiten der Selbstbehauptung und der Flucht vor der eigenen Kraftlosigkeit ist der Zerstörungstrieb, und zwar nicht nur in Bezug auf die Außenwelt, sondern auch auf die innere Welt. Zerstört wird dabei nicht, um etwas anderes zu erschaffen, sondern einfach so, aus Gewohnheit. Was muss man tun, um sich vom Gefühl der Hoffnungslosigkeit zu befreien? Am einfachsten wäre es, so Fromm, auf seine eigene Persönlichkeit ganz zu verzichten und sich das Verhaltens- und Denkmuster anzueignen, das von der Gesellschaft aufgezwungen wird. In diesem Fall wird das Ich dieses Menschen durch ein Pseudo-Ich ersetzt, seine Gedanken durch Pseudo-Gedanken. Diese Menschen sind in der Mehrheit. Sie schlagen diesen Weg unbewusst ein, obwohl keiner von ihnen freiwillig zugeben würde, dass er nicht er ist, sondern ein Pseudo-Er. Der Mensch wird so, wie es die anderen von ihm erwarten. Diesen Mechanismus kann man mit der Schutzfärbung bei einigen Tieren vergleichen, die sich an die Umwelt so stark anpassen, dass man sie von ihr kaum noch unterscheiden kann. Wer seine Individualität vernichtet hat und zu einem Automaten geworden ist, genau so wie Millionen von Automaten um ihn herum, spürt keine Einsamkeit und Sorgen mehr. Der Preis dafür ist jedoch der Verlust seines Selbst. Man geht davon aus, dass die meisten von uns Individuen sind, die die Fähigkeit besitzen, zu denken, zu fühlen und so zu handeln, wie es einem jeden gefällt. Jeder glaubt aufrichtig daran, dass er er ist und dass seine Gedanken, Gefühle und Wünsche echt sind. Wenn uns jemand sagt „ich denke“, bewerten wir als erstes, ob das, was er denkt, richtig oder nicht richtig ist. Aber denkt er überhaupt? Denn der Ausdruck ich denke bedeutet noch lange nicht, dass ich denke. Stellen wir uns folgende Situation vor. Wir wollen in Erfahrung bringen, wie das Wetter morgen wird und fragen einen Fischer und zwei Städter danach. Es ist im Voraus bekannt, dass sie die Wettervorhersage aus dem Radio oder Fernsehen kennen. Was würde uns der Fischer antworten? Er wird die Richtung des Windes, die Temperatur, die Feuchtigkeit und andere Faktoren einschätzen und zu einem mehr oder weniger bestimmten Schluss kommen. Wahrscheinlich wird er die Wettervorhersage aus dem Radio erwähnen, aber uns seine Meinung und das Ergebnis seiner Überlegungen mitteilen. Der eine Städter weiß, dass er vom Wetter wenig versteht und sagt: „Ich kenne mich damit nicht aus und kann nur die Wettervorhersage wiederholen“. Der andere Städter gehört zu einem anderen Typ Mensch. Er meint, dass er auf jede Frage eine Antwort geben muss. Er denkt kurz nach und teilt uns seine Meinung mit, die mit der Wettervorhersage aus dem Radio vollkommen übereinstimmt. Wir bitten ihn, die Gründe für seine Meinung anzugeben, und er sagt uns, dass er bei seiner Einschätzung von der Windrichtung, den Temperaturen, der Feuchtigkeit und anderen Faktoren ausging. Auf den ersten Blick scheint das Verhalten dieses Menschen dem Verhalten des Fischers gleich zu sein. Wenn man aber etwas tiefer schaut, dann wird klar, dass seine Meinung überhaupt nicht seine, sondern die Meinung von jemand anderem ist, die er aber für seine ausgibt. Dabei glaubt er fest daran, dass er zu diesem Schluss durch seine eigenen Überlegungen gekommen ist. Er gibt sich der Illusion hin, eine eigene Meinung zu haben, in Wirklichkeit aber hat er einfach die Äußerung einer fachlichen Autorität wiedergegeben. Das gleiche Phänomen ist zu beobachten, wenn man Menschen Fragen über Politik oder die wirtschaftliche Situation stellt oder darüber, was man im Land ändern sollte. Fragen Sie einen Zeitungsleser, was er von der letzten Regierungsumbildung, vom Preisanstieg oder von den Kursschwankungen an der Börse hält. Er wird Ihnen die Argumente aus der Zeitung als seine eigene Meinung präsentieren. Interessant ist, dass er wirklich glaubt, dass alles, was er Ihnen sagt, das Ergebnis seiner Überlegungen ist. Genau so bildet sich die Mehrheit der Menschen ihre Meinung über die Kunst. Ein einfacher Mensch hält die Bilder von Rafael oder van Gogh für wunderschön und beeindruckend. In Wirklichkeit aber hat er keinen inneren Bezug dazu und empfindet nichts. Er hält ein Bild für schön, weil er weiß, dass genau diese Bewertung von ihm erwartet wird. Auch im Theater oder im Konzertsaal zeigt sich dieser Mensch von der wunderbaren Arbeit der Schauspieler oder Musiker begeistert. Alles, was wir besprochen haben, gilt nicht nur für das Denken, sondern auch für Gefühle, Bestrebungen und Wünsche. Viele sind davon überzeugt, dass sie etwas tatsächlich wollen, wenn sie es wollen, aber ihre Wünsche sind nur eine Illusion von Wünschen und ihre Entscheidungen sind nicht ihre eigenen, sondern sie werden ihnen von außen aufgezwungen. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass sie ihre Entscheidungen selbstständig fällen, während sie sich in Wirklichkeit von unbewusster Angst und der unbewussten Furcht vor einem Verlust leiten lassen oder sich den Erwartungen der anderen fügen. Der Ersatz der wirklichen Denkvorgänge, Gefühle und Wünsche durch Pseudovorgänge führt letztendlich zum Ersatz der wahren Persönlichkeit durch eine Pseudo-Persönlichkeit. Wie kann man die illusorische Persönlichkeit von der wahren unterscheiden? Das wahre Ich sind die wahren, von der Meinung der anderen unabhängigen Gedanken, Emotionen und Wünsche. Das Pseudo-Ich ist die Rolle, die der Mensch ausgehend von den Erwartungen der anderen spielt. Diese Rolle wird aber im Namen des wahren Ichs gespielt. Der Psychotherapeut muss das alles dem Patienten erklären. Er muss das wiederherstellen, was verloren gegangen ist, um damit den Patienten von seinen inneren Konflikten zu befreien, die durch die Notwendigkeit hervorgerufen wurden, sich an die Umwelt anzupassen. „Glücklich ist, wer mit sich selbst in Harmonie lebt. Der Konflikt entsteht dann, wenn wir dazu gezwungen werden, in Harmonie mit anderen zu leben“, sagte Oscar Wilde. Er hatte wahrscheinlich einen guten Psychotherapeuten. Haben Sie Harmonie mit sich selbst gefunden, finden Sie auch die Harmonie mit den anderen!
Die zweite GeburtDie Sprechstunde bei einem Psychoanalytiker besteht nicht nur aus Couchgeflüster. Es gibt auch andere, ziemlich exotische Methoden. Zum Beispiel die Behandlung mit Hilfe des so genannten Urschreis, die aus den 1960er Jahren stammt und auf der Lehre von Freud beruht. Der Begründer dieser Methode ist Arthur Janov. Laut Janov wird eine Neurose dadurch hervorgerufen, dass man in seiner Psyche die Schmerzerlebnisse seiner Kindheit bewahrt. Jedes Mal, wenn Sie in Ihrer Kindheit weinten, Hunger hatten, nicht an die Hand genommen wurden, oder Ihnen keine Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, erlitten Sie ein psychisches Trauma. Zu irgendeinem Zeitpunkt lief das Fass über. Vielleicht war es, als man Sie einem Kindermädchen oder einem Kindergarten anvertraute. Deshalb ist Ihre Neurose ausschließlich auf Ihre Eltern zurückzuführen, die Ihr Verlangen nach Liebe nicht befriedigen konnten. Nach Janovs Ansicht kann die Behandlung nur mit Hilfe von direkten, drastischen und ungewöhnlichen Methoden erfolgen. Sein Behandlungszentrum in Los Angeles umgeben kleine Häuschen, die an Hundehütten erinnern und aus denen Schreie zu hören sind, die niemand beachtet. Der Patient wird zunächst einer dreistündigen Psychoanalyse unterzogen. Danach wird ihm suggeriert, dass er ein kleines Kind sei. Der Patient schreit, weint und beginnt, sich mit Spielsachen zu beschäftigen. Der Höhepunk der Reise in die Vergangenheit ist der Urschrei, der Schrei des Neugeborenen, durch den der Patient sich wie neugeboren fühlt, also ohne Traumata und Komplexe.
Was der Gestaltpsychologe zu sagen hatDas Menschenbild der Gestaltpsychologie ähnelt den Ideen der Heilkunde und der alternativen Heilmethoden. Die Gestalt ist das, was in der Bioenergetik als Egregor bezeichnet wird: etwas Ganzheitliches, das aus Teilen besteht, die sich miteinander in Wechselwirkung befinden. Das Ganze besteht immer aus Einzelteilen. Das Ganze kann alles Mögliche sein: ein Mensch, eine Gruppe von Menschen, Staaten oder Regionen, die innerhalb der Grenzen eines Landes vereint sind; in einer Bibliothek sind es die Bücher. Das Ganze ist aber nicht nur die Summe der Einzelteile, sondern etwas Größeres, was nur dank der Beziehungen seiner Komponenten funktionieren kann. Nehmen wir zum Beispiel den Computer. Er ist nicht nur ein Satz von Chips und Einzelteilen, sondern etwas, was dank dem Zusammenspiel dieser Einzelteile und Chips arbeiten kann. Ein Molekül ist nicht nur die Summe der Atome, aus denen es besteht, sondern auch das Wechselspiel dieser Atome. Jeder Film besteht nur aus der Abfolge von Einzelaufnahmen, aber der fertige Kinofilm ist nicht die Summe der einzelnen Bilder, sondern etwas ganz anderes. So ist es auch beim Menschen. Er ist nicht einfach eine Summe aus Nieren, Herz, Nervensystem, Fähigkeiten, Kenntnissen und Wünschen… Er ist etwas Größeres, und alle seine Bestandteile bilden zusammen eine Einheit. Jedes Einzelteil hat wiederum seine eigenen Elemente. Sehen wir uns die Psyche an. Sie enthält Emotionen, Empfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen und vieles andere. Dennoch beschreibt man nur eine Komponente, wenn man den Zustand eines Menschen oder seine Reaktion auf etwas wiedergeben will. Man isoliert diese Komponente aus der Gestalt (Ganzheitlichkeit) der gesamten Psyche. Wenn wir zum Beispiel von jemandem sagen „er ist böse geworden“, dann beschreiben wir nur die Emotionen dieses Menschen. Mit der Äußerung „sie empfindet Schmerz“, schildern wir nur den Bereich der Wahrnehmung. Man darf sich aber nicht nur mit einer Komponente begnügen, weil nämlich das Ganze reagiert. Mit anderen Worten: Man darf nicht nur einen Teil berücksichtigen, wenn man den ganzen Vorgang verstehen will. Denn so geht der Zusammenhang mit dem Übrigen verloren. Auch unsere Wahrnehmung an sich ist keine Summe von Informationen, die wir durch Sehen, Hören, den Tastsinn usw. erhalten. Sie ist eine Gestalt, die durch Vorgänge auf einer höheren Ebene entsteht als die Summe der Empfindungen. Ein Gestaltpsychologe wird sagen: Wenn wir den Standpunkt der Ganzheitlichkeit verteidigen, setzen wir uns für die Einheit des Psychischen und Körperlichen, für die Einheit der Seele und des Körpers ein. Wenn ein Mensch tanzt, kann in diesem Moment keine Grenze zwischen seinem seelischen Zustand und den Bewegungen, die er macht, gezogen werden. Oder: Wenn ein Mensch Freude, Angst oder Unsicherheit empfindet, kann man dann über seinen psychischen Zustand etwas sagen, indem man nur die Mimik seines Gesichts berücksichtigt? Man kann einen Menschen nicht beurteilen, wenn man dazu nur einen Teil heranzieht. Jeder Mensch muss ganzheitlich betrachtet werden. Doktor Einsicht. Jeder von uns hat nicht nur sein gewöhnliches Sehvermögen, sondern auch ein inneres, geistiges. Darunter versteht man die Vorgänge, die an der Grenze zwischen dem Bewusstsein und Unbewusstsein ablaufen. Dazu gehört auch die Intuition, die Fähigkeit, die Umgebung als Ganzes wahrzunehmen und richtige Schlüsse zu ziehen. Das Wort Intuition ist in der Gestaltpsychologie durch den genaueren Begriff Einsicht ersetzt worden. Das wahre Denken ist ein Einsichtsdenken. Die Einsicht ist die Fähigkeit, sofort das Ganze zu erfassen und ihm eine Gestalt zu geben, Teile eines Ereignisses, einer Erscheinung, seines eigenen Verhaltens oder des Verhaltens anderer Menschen zu etwas Ganzem zu vereinen. Oft können wir vor dem Berg kleiner Einzelteile das Problem nicht als Ganzes sehen, was dazu führt, dass wir das Problem nicht bewältigen können. Die Aufgabe des Psychologen ist es, dem Patienten zu helfen, die einzelnen Komponenten zu einer Einheit zu verknüpfen und durch intuitive Einsicht einen Ausweg aus einer komplizierten Situation zu finden.
Warum man in der Sprechstunde des Psychotherapeuten zu „Erleuchtung“ kommen sollNicht nur, um aus dem Mülleimer seiner Psyche viele zerknitterte Schmierblätter herauszufischen und sie zu einer ganzheitlichen Erzählung zusammenzuheften, sondern auch, um die Welt ohne die Vermittlung der bewussten Analyse so wahrzunehmen, wie sie ist. Der amerikanische Psychologe Erhard erreicht dieses Ziel auf folgende Weise. Eine Gruppentherapie (für 400 Dollar) umfasst zwei Wochenenden – 4 Tage je 15 Stunden. Zuerst erklärt ein Assistent die wichtigsten Regeln: Während der Therapiestunden nichts essen, nichts trinken, nicht rauchen, nicht sprechen und nichts notieren. Danach teilt der Psychotherapeut den Teilnehmern mehrere Stunden lang mit, was er von ihnen denkt; er nennt sie Dummköpfe, deren Leben nichts wert ist. Er erklärt, dass es in der Welt nichts Gutes und nichts Schlechtes gebe. Es sei nur der Verstand, der der neutralen Welt seine Überlegungen aufzwinge; in der Welt gebe es nichts Bestimmtes und niemand interessiere sich für irgendetwas. Was es gebe, existiere unabhängig davon, was wir davon halten. Real seien nicht Verstand, Glaube, Logik oder Verständnis: Wenn man den Sinn des Lebens begreifen wolle, müsse man seine Vorstellungen abschütteln und nur seine Lebenserfahrung bewahren. Daraufhin folgen lange Stunden mit Übungen und Meditationen. Die meisten Kursteilnehmer bestätigen, dass Ihnen dieses Training großen Nutzen bringt. Viele Psychiater, die den Kurs gemacht haben, empfehlen ihn ihren Patienten. In der Literatur ist nachzulesen, dass eine Gruppe von 250 Spezialisten aus der Psychiatrie, der Bildung und des Rechts Erhard nach der „schweren Prüfung“ einen stürmischen Applaus zollten.
Die Vorteile einer GruppentherapieDie Psychologen arbeiten gerne mit Gruppen aus 12 bis 15 Menschen. Bei dieser Teilnehmerzahl gibt es in der Gruppe keinen formalen Leader (der Psychologe selbst ist auch kein Leader) und keine „Agenda“. Jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit zu lernen und zu verstehen, was mit ihm „hier und jetzt“ geschieht; die übrige Welt bleibt außerhalb des Behandlungszimmers. Von jedem Teilnehmer wird erwartet, dass er seine Emotionen und seine Meinung über das Verhalten und die Reaktionen der anderen Kursteilnehmer offen ausspricht. Das Motto „hier und jetzt“ ist dabei das Wichtigste. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen die Erlebnisse des gegenwärtigen Augenblicks. Vertrauen, Ehrlichkeit und Offenheit sind die wichtigsten Voraussetzungen für diese Behandlungsmethode. Der Mensch baut übertriebene psychische Abwehr ab, verbessert die persönlichen Beziehungen in der wirklichen Welt und entwickelt Selbstbewusstsein. In der Heilkunde wird die Gruppentherapie auch oft angewendet. Trotz einiger Nachteile haben die Gruppenpsychotherapie und die Gruppenbehandlung in der Heilkunde einen gewichtigen Vorteil, der alle ihre Nachteile übertrifft. Durch diejenigen, die während der Behandlung bereits die erwünschten Ergebnisse erreichen, setzt eine Gruppendynamik ein, die sich positiv auf die Patienten auswirkt, die sich nur schwer behandeln lassen.
Die FamilienberatungDie Familienberatung ist eine der Hauptrichtungen der Gestaltpsychologie. Jede Familie ist ein lebendiger Organismus, ein gewisses Ganzes, das aus einzelnen Mitgliedern besteht. Wie auch andere Lebewesen nimmt sie energetische Nahrung in Form von kleinen Freuden zu sich: gemeinsame Spaziergänge oder Ausflüge, Einkäufe, Feiern zu Geburtstagen, Hochzeiten und Geburten. Dieser Organismus scheidet auch „Produkte seiner Lebenstätigkeit“ aus: Kränkungen, Vorwürfe, Skandale, verschiedene Erscheinungsformen des Egoismus seitens seiner Bestandteile. Wenn die Schlacken regelmäßig entsorgt werden, lebt die Familie normal. Wenn aber die Kanalisation verstopft ist, nehmen die Verunreinigungen im Haus der Familie überhand. Deshalb kann man den Psychotherapeuten, der sich mit Familienkonflikten beschäftigt, mit einem Rohrreiniger vergleichen, der die verstopfte Kanalisation wieder in Ordnung bringt. In der Familienpsychotherapie gibt es verschiedene Richtungen: die Gestalttherapie, die Psychosynthese oder den Behaviorismus. Während die Familienpsychotherapie für den Psychologen das „Waschen der schmutzigen Wäsche“ bedeutet, beinhaltet sie für die Ehegatten eine Reihe spannender Spiele. Ich möchte Ihnen einige davon vorstellen, die Sie mit Ihrer besseren Hälfte mal ausprobieren können. Rücken an Rücken. Setzten Sie sich mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin Rücken an Rücken auf den Boden. Sprechen Sie ein paar Minuten miteinander, ohne sich umzudrehen. Danach tauschen Sie Ihre Empfindungen über dieses Gespräch aus. Wozu soll das gut sein? Warum kann man nicht einfach von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen? Wenn Sie sich auf den Boden setzen, „landen“ Sie beide sozusagen, Sie steigen vom Thron Ihrer unbeugsamen Positionen herab. Und wenn Sie während des Gesprächs in verschiedene Richtungen blicken, können Sie sich von unbewussten Aggressionen befreien und brauchen das andere Spiel nicht mehr zu spielen, auf das nicht nur Menschen, sondern auch Tiere zurückgreifen: Sich in die Augen starren, bis einer aufgibt. Der Sitzende und der Stehende. Dabei muss ein Partner sitzen und der andere stehen. Versuchen Sie in dieser Position über Ihre Beziehung zu sprechen. Nach einigen Minuten tauschen Sie Ihre Plätze, damit jeder von Ihnen die Position „von oben“ und „von unten“ gleichermaßen empfinden kann. Danach tauschen Sie Ihre Eindrücke aus. Aug in Aug. Schauen Sie einander einige Minuten lang konzentriert in die Augen. Dabei soll aber kein Wettkampf zustande kommen, wer es länger aushält. Sie sollen nur Blickkontakt halten, ohne dabei zu sprechen. Tauschen Sie Ihre Eindrücke aus. Platzwechsel. Setzen Sie sich einander gegenüber auf zwei Stühle. Jeder Ehepartner hat drei Minuten Zeit, um seine Einstellung zum Partner auszudrücken, der (und das ist das Wichtigste!) den Sprechenden nicht unterbrechen und nicht mit ihm streiten darf. Daraufhin tauschen Sie die Plätze. Der nächste Schritt: Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Frau (Ihr Mann) sind und äußern Sie Ihre Meinung über sich selbst von ihrem (seinem) Standpunkt aus. Die Gestalttherapeutin Jane Rainwater schlägt das folgende Spiel vor.
Die Befriedigung geheimer Wünsche Machen Sie unabhängig voneinander eine Liste mit dem, was Sie von Ihrem Ehegatten (Ihrer Ehegattin) bekommen möchten. Vergewissern Sie sich, dass Sie alles in die Liste aufgenommen haben, worum Sie ihn (sie) nie zu bitten wagten. Vergleichen Sie Ihre Listen, indem Sie Ihre Wünsche der Reihe nach vorlesen: zuerst liest ein Partner einen Wunsch vor, dann der andere auch einen usw. bis zum Ende. Nachdem Sie Ihre Listen verglichen haben, tauschen Sie mit dem Partner Ihre Gefühle und Eindrücke aus. Vereinbaren Sie zwei Abende, an denen Sie Ihre Wünsche erfüllen werden. Am ersten Abend soll einer von Ihnen die Wünsche des anderen erfüllen. Dabei wählt er aus der Liste die Wünsche aus, die er gerne erfüllen würde. Die Wünsche, die er nicht erfüllen will oder kann, lässt er ohne Schuldgefühle aus. Am zweiten Abend tauschen die Ehepartner ihre Rollen. Schön, wenn Sie bei der Erfüllung der Wünsche etwas Kreativität zeigen und neue Punkte hinzufügen. Dabei müssen Sie sicher sein, dass es Ihrem Partner Vergnügen bereitet und dass Sie nicht versuchen, Ihre eigenen Ansprüche zu befriedigen. Es wurden Tausende Methoden erfunden, die Mann und Frau helfen sollen, sich einander anzupassen und Konflikte zu lösen. Wenn Sie ähnliche Probleme haben, bezwingen Sie Ihren Stolz und wenden Sie sich an einen Familienberater. Ich wünsche Ihnen und ihm viel Glück.
Der Standpunkt der existentialistischen Psychologie
Der Existentialismus ist eine philosophisch-psychologische Strömung, die in Frankreich Ende der 30er Jahre entstand. Einer der Begründer dieser Strömung war Jean Paul Sartre. Die Wahrnehmung, behauptet Sartre, beruht auf dem Erleben der Absurdität der Wirklichkeit und auf der Zufälligkeit der Existenz überhaupt. Dieses Erleben führt zu Einsamkeit. Der Mensch befindet sich in einem existentiellen Vakuum – er fühlt, dass der Sinn des Lebens verloren gegangen ist. Fragen Sie sich selbst: Was ist das Dasein? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Wenn Sie die Antworten auf diese Fragen haben, werden Sie sich von diesem Gefühl befreien. Wie stehen Sie zu Ihrem Geburtstag? Sie werten die Tatsache Ihrer Geburt und Ihrer Existenz auf dieser Welt, indem Sie diesen Tag entweder segnen oder verdammen oder dass Ihnen dieser Tag gleichgültig ist. Um die inneren Konflikte zu lösen, müssen Sie erstens unrealistische Hoffnungen beiseite schieben. Zweitens müssen Sie begreifen, dass alles, was Sie umgibt, illusorisch ist. Ob etwas schwarz oder weiß ist, hängt nur von Ihrer Haltung dazu ab. Um das Gleichgewicht im Leben zu erlangen, sollten Sie eine interessante Tätigkeit finden. Es ist wichtig, sich nicht als Ameise zu fühlen, sondern genügend Freizeit für ein vollwertiges und interessantes Leben zu haben. Der Versuch, den Sinn des Daseins zu finden, wird Sie zwangsläufig zu der Frage danach führen, wer eigentlich der Suchende ist – also zur Frage nach sich selbst. Nur wenn man sich in sich selbst vertieft, kann man sein Wesen begreifen und seine innere Einstellung festigen. Nur auf diesem Wege kann man die Werte erlangen, die dem ganzen Dasein einen Sinn geben werden.
Versuch, Irrtum und ein zufälliger Erfolg„Die Freud-Anhänger irren sich. Eine Neurose ist einfach eine schlechte Angewohnheit. Der Gegenstand der Psychologie ist nicht das Bewusstsein, sondern das Verhalten“, so könnte man kurz das Wesen des Verhaltenspsychologie (Behaviorismus) zusammenfassen. Die Vertreter dieser Strömung behaupten, dass die Psychologen den Überlegungen des Menschen über seine eigenen inneren Vorgänge zu viel Aufmerksamkeit schenken. Und solche Überlegungen sind immer subjektiv und trügerisch. Von der Interpretation dieser Überlegungen gingen die Anhänger des Behaviorismus deshalb zu Experimenten mit Menschen über. Einer der Pioniere des Behaviorismus, Edward Thorndike, führte zunächst Experimente mit Kindern im Vorschulalter durch. Er stellte sich verschiedene Wörter, Gegenstände oder Zahlen vor. Das ihm gegenüber sitzende Kind musste erraten, an was er dachte. Wenn das Kind erfolgreich war, bekam es einen Bonbon. Der Sinn des Experiments bestand im Folgenden. Wenn man gedanklich irgendwelche Wörter aufsagt, bewegt sich fast unmerklich die Gesichtsmuskulatur. Normalerweise können diese kleinen Bewegungen von den anderen Menschen nicht wahrgenommen werden. Edward Thorndike stellte sich die Frage, ob man nicht lernen kann, sie wahrzunehmen und somit die Gedanken zu lesen? Und es stellte sich heraus, dass es möglich ist. Er konnte die Versuchsreihe aber nicht beenden, weil die Universitätsverwaltung ihm verbot, die „Kinderversuche“ weiter durchzuführen. Doch er gab nicht auf. Er begann, Kücken beizubringen, durch ein Labyrinth zu laufen, und Hunden und Katzen, sich aus einer „Puzzle-Box“ zu befreien. Die Befreiung aus der Box konnte einem Tier aber nur durch die Betätigung einer speziellen Vorrichtung gelingen. Die Tierchen liefen in verschiedene Richtungen, kratzten an der Box, bissen um sich, bis sie eine Bewegung machten, die zum Erfolg führte. Durch die Methode von „Versuch und Irrtum“ kam ein Tier also zufällig zum Erfolg. Bei weiteren Tests ging die Zahl der nutzlosen Bewegungen zurück, was während des Experiments graphisch aufgezeichnet wurde. Das Prinzip von Versuch, Irrtum und zufälligem Erfolg, so die behavioristischen Psychologen, ist sowohl für Tiere als auch für Menschen charakteristisch. Jede Handlung, die in einer bestimmten Situation mit Vergnügen verbunden ist, wird künftig in einer gleichen Situation wiederholt. Und umgekehrt: Die Handlung, die ein Unwohlsein hervorruft, wird wahrscheinlich nicht mehr wiederholt. Unserem Verhalten liegen Versuch und Irrtum zugrunde, die mit dem Zustand des Vergnügens oder Unwohlseins einhergehen. Lange Zeit sah man in der amerikanischen Psychologie den Menschen als eine große weiße Ratte. Dann aber „wuchs“ der Mensch in der Vorstellung der Psychologen bis zu einem kleinen Roboter mit einem besonderen Programm heran. Er, die lebendige Maschine, kann nur dann sinnvoll handeln, wenn er sein Verhalten den veränderten Bedingungen entsprechend ändert. Genau das muss in der Therapie genutzt werden.
Wie ein behavioristischer Psychotherapeut Sie behandeln wirdWenn Sie wegen Höhenangst zu einem behavioristischen Psychotherapeuten gehen, wird er nach dem Prinzip „ein stärkerer Impuls unterdrückt einen schwächeren“ handeln. Nach einer Entspannungsphase wird er Sie bitten, sich die Situation vorzustellen, dass Sie eine Sicherheitstreppe immer höher hinaufgehen. Da die Entspannung die Antagonistin der Angst ist, wird sie diese unterdrücken – zunächst in Ihrer Vorstellung und dann auch in der Realität. Wenn Sie Angst vor Blut haben, wir Ihnen der Psychologe nach der Entspannungsphase vorschlagen, einen Film anzuschauen, in dem das Blut in Strömen fließt. Wenn Sie Probleme mit Alkohol haben, werden Sie zuerst trinken dürfen. Dann aber wird bei Ihnen eine unangenehme Reaktion hervorgerufen, zum Beispiel Erbrechen. Auf diese Weise wird versucht, bei Ihnen eine negative Reaktion auf Alkohol zu entwickeln. Wenn Sie ein unsicherer Mensch sind, wird der Psychotherapeut Ihr Verhalten in verschiedenen fiktiven Situationen erproben. Haben Sie dann gelernt, sich in den Testsituationen richtig zu verhalten, erlangen Sie auch im realen Leben Selbstsicherheit. Der österreichische Psychologe Moreno ging von der Vorstellung einer Situation zur Darstellung auf der Bühne über. Diese Darstellung nannte er Psychodrama. Wenn Sie sich an einen Spezialisten wenden, der in seiner Praxis diese Methode anwendet, wird er Ihnen eine Situation vorgeben, die Ihnen bekannt ist und in der Sie sich unsicher fühlen. Sie werden zusammen mit anderen Patienten diese Situation in einer Improvisation vorspielen müssen. Wenn Sie die für Sie wichtige Situation nicht im realen Leben, sondern in der Therapie erleben, werden Sie allmählich Verhaltensweisen finden, die für Sie optimal sind, und sich von Ihrer Unsicherheit befreien. Die Methoden der Sexualtherapie von Masters und Johnson erlangten große Popularität. „Die Kliniken für Sexualtherapie haben ganz Amerika überflutet“, schrieb die New York Times. Ein Behaviorist wird auf jeden Fall versuchen, Ihnen die Relaxation beizubringen. Relaxation bedeutet Entspannung. Damit kann man Stress abbauen, es gelingt aber auch nicht selten, sich von irgendeiner inneren Krankheit zu befreien. Dafür wird die Relaxation durch Hypnose und Suggestion ergänzt.
Wie man den Hypnotiseur hypnotisieren kannWollen Sie wissen, wie Sie einen Hypnotiseur in seiner Sprechstunde hypnotisieren können? Gut. Aber zuerst beantworten Sie die Frage: Wozu wollen Sie das wissen? Die Überschrift dieses Abschnitts ist jedoch kein Trick, um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Denn es ist so, dass in jeder Hypnosesitzung Sie selbst der Hypnotiseur sind. Sie hypnotisieren sich selbst und das bedeutet, Sie hypnotisieren den Hypnotiseur und der Psychotherapeut hilft Ihnen nur dabei. Hypnose, vor der viele komischerweise Angst haben, ist immer eine Selbsthypnose. Ohne Ihre Einwilligung wird Sie niemand hypnotisieren können. Oder fast niemand. Wissen Sie, dass Sie sich ständig, mehrmals am Tag hypnotisieren? Sie wissen einfach nicht, dass Sie hypnotisiert sind, ohne es zu merken. Trance ist ein natürlicher Zustand der Psyche, in die jeder von uns immer wieder fällt, wenn er im Fahrstuhl steht, am Steuer sitzt oder aus dem Zugfenster schaut. Ist Ihnen schon mal passiert, dass Sie im falschen Stockwerk aus dem Fahrstuhl stiegen, was Ihnen aber nicht sofort auffiel. Bei dieser Gelegenheit waren Sie in Trance und handelten unbewusst. Ist Ihnen beim Autofahren schon mal aufgefallen, dass Sie tief in sich versunken sind und alle Handlungen automatisch ausführen? Das ist auch eine Trance. Haben Sie schon mal Ihre U-Bahnstation verpasst? Wenn ja, dann waren Sie in diesem Augenblick in einem nachdenklichen Zustand, Ihre Aufmerksamkeit war nach innen und nicht nach außen gerichtet. Genau der Zustand, in dem man seine Handlungen automatisch ausführt, ohne darüber nachzudenken, während sich das Bewusstsein auf etwas anderes konzentriert, ist Selbsthypnose.
Die klassische HypnoseWenn Sie zu einem Hypnotiseur kommen, wird er Sie bitten, sich in einen bequemen Sessel zu setzen. Dann beginnt er, mit monotoner und langweiliger Stimme zu „brummeln“, dass Ihre Augenlider schwerer werden, der Körper sich entspannt, eine angenehme Wärmer Sie umfasst und Sie angeblich einschlafen. Was werden Sie dabei fühlen? Wenn Sie „irgendetwas, ich weiß nicht was, aber irgendwas muss ich doch fühlen“ erwarten, dann werden Sie enttäuscht sein. Sie werden nur eine leichte Schläfrigkeit spüren, das Brummeln des Psychotherapeuten hören und alles mitbekommen, was abläuft. So sieht eine Hypnose-Sitzung aus. Die Hypnose selbst werden Sie wahrscheinlich nicht spüren. Wie stellt der Psychotherapeut fest, ob Sie in Hypnose sind oder nicht? Wenn Ihr Gesicht symmetrisch wird, die Haut leicht rosa und feucht, der Atem langsam und tief, wenn Sie in Ihrer Pose erstarren, die Augen (wenn sie offen sind) seltener zwinkern und wenn Sie aufhören, den Speichel zu schlucken, dann sind Sie in Hypnose. Haben Sie keine Angst davor, dass man Sie manipulieren wird. Glauben Sie nicht, dass Sie ein schwacher Mensch sind, der sich leicht dem Willen anderer unterwirft, wenn Sie sich in Hypnose versetzen lassen. Ihr Psychotherapeut hat nicht vor, Sie zu unterwerfen! Das Syndrom Hypnose um der Hypnose willen oder Den werde ich ihn vielleicht hypnotisieren! hat er wahrscheinlich schon längst hinter sich. Hypnose um der Hypnose willen ist nur für die Amateure und Anfänger interessant. Ihnen liegt nur daran, verkünden zu können: „Es hat geklappt!“. Ein Fachmann hypnotisiert um der Behandlung willen. Ihm ist vollkommen klar, dass „es hat geklappt“ allein nicht heilen kann. Nicht die Hypnose ist das Heilmittel, sondern die heilenden Suggestionen, die dem Patienten im Trancezustand eingeredet werden.
Die SuggestionWas ist Suggestion? Das gleiche wie Beeinflussung. Die Beeinflussung ist ein Versuch, jemanden von etwas zu überzeugen. Er kann sprachlich unternommen werden (das ist die verbreitetste Variante). Man kann aber auch durch Blicke, Gesten oder Mimik beeinflussen. Beispiele für verbale Suggestion kommen im Alltag auf Schritt und Tritt vor. Die meisten unserer Aussagen enthalten eine bewusste oder unbewusste Suggestion. Da sind verschiedenartige Aufforderungen wie „du muss gut lernen“ oder „du solltest dich mit ihm nicht abgeben“. Jedes Lob ist eine positive Suggestion („sehr gut“, „so ein gescheiter Junge“, „braves Mädchen“ oder „du kannst so gut kochen“), und jede Rüge ist eine negative Suggestion („dumm“, „du hast wohl nichts im Kopf“, „aus dir wird nie was“ oder „du hast zwei linke Hände“). Ein Mensch, dem man ständig sagt, dass er dumm ist, wird früher oder später daran glauben. Er schraubt seine Ansprüche herunter und findet sich mit seiner Dummheit ab. Umgekehrt erreicht eine mittelmäßige Persönlichkeit unter Einfluss von positiven Suggestionen („schau, wie gut du das machst!“) viel mehr als ein begabter, aber „dummköpfiger“ Mensch. Dieses Prinzip nutzt man in der Medizin, um psychosomatische Erkrankungen zu behandeln. Der Psychotherapeut versetzt den Patienten in einen leicht schlafähnlichen Zustand oder in Hypnose (oft spielt der Unterschied keine Rolle) und formuliert dann positive Suggestionen wie „Sie fühlen sich immer besser“, „Ihr Herz schlägt rhythmisch und deutlich“, „Ihre Lungen und Nieren arbeiten normal“ und „Sie sind wieder ein gesunder und lebensfroher Mensch“. Die heilende Wirkung entsteht nicht auf Grund der Hypnose, sondern auf Grund eben dieser Suggestionen. Finden Sie das absurd? Das ist doch primitiv, primitiver geht es gar nicht! Kann sein. Das Geheimnis liegt aber darin, dass trotz der Einfachheit, die absurd zu sein scheint, die Suggestion wunderbar funktioniert. Das bedeutet, dass mit Hilfe dieser Methode der Zustand bei sieben von zehn Patienten wesentlich verbessert werden kann. Drei bis vier Patienten von diesen sieben können von ihren Erkrankungen vollständig geheilt werden. Keine Suggestion ist eine Suggestion von außen. Kein Mensch nimmt das auf, was man ihm einzupauken versucht, sondern nur das, was er bereit ist aufzunehmen. Deshalb muss nicht immer ein Psychiater anwesend sein. Versuchen Sie jeden Tag (und dann immer seltener), sich selbst zu beeinflussen: „Heute geht es mir besser als gestern“, „Ich fühle mich munter“, „Mein Herz schlägt rhythmisch“ usw. Dem französischen Apotheker Coué, der die Methode der Autosuggestion als erster angewendet hatte, fiel auf, dass viele Menschen nur deshalb krank werden, weil sie sich einbilden, krank zu sein. Genau so könnten sie wieder gesund werden, wenn sie sich einbilden, dass sie gesund sind.
Hypnosemethode nach RauschRausch heißt der Arzt, der vor vielen Jahren in die medizinische Praxis nicht die Hypnose, sondern die Narkose einführte. Die Rausch-Narkose ging etwas handfest vonstatten, wie ein Schlag mit der Keule gegen die Stirn. Und die Keule war echt! Der Patient verlor das Bewusstsein und wurde in diesem Zustand operiert. Bei der Hypnosemethode in Anlehnung an die Rausch-Narkose setzt der Hypnotiseur auf schlagende, unerwartete Aktionen, die allen Stereotypen und Erwartungen zuwider laufen. Einer meiner Kollegen begann seine öffentlichen Auftritte auf folgende Weise: Wenn der Saal voll war, erschien ein Conférencier (sein ehemaliger Patient) auf der Bühne und verkündete in einem einstudierten Tonfall: „Liebe Freunde, wir haben uns heute hier versammelt, um… Zu Schlafen!!!“, dröhnte die Stimme des Hypnotiseurs hinter den Kulissen. Der Conférencier fiel in Katalepsie (in einen Zustand der Unbeweglichkeit) und wurde von der Bühne weggebracht. Danach kam der Maestro selbst auf die Bühne und sagte mit ruhiger und leiser Stimme zum Publikum, das bereits halb in Trance gefallen war: „Das Thema der Vorlesung ist die Hypnose.“ Oder noch ein Beispiel. In der Sowjetunion war einmal ein Hypnotiseur unglaublich populär. Er hieß Anatoli Kaschpirowski. Er veranstaltete Massensitzungen in Sälen, privat behandelte er nicht. Erstens wollte er sich nicht mit jedem Einzelnen beschäftigen und schickte seine Patienten zur Gruppentherapie. Zweitens war es schlicht unmöglich, alle Interessenten zu behandeln. Es gab aber doch Menschen, die ihn dazu überreden konnten, dass er sie privat empfing. Ein junger Mann wollte unbedingt mit dem Rauchen aufhören und bekam letztendlich die Einladung des großen Meisters zu einer privaten Sitzung. Anatoli Kaschpirowski legte die „Verabredung“ in einen Gang des Kiewer Sportpalastes gleich nach seiner Massenshow. Der junge Mann musste mehrere Wochen warten, und es war auch nicht einfach, eine Eintrittskarte in den Sportpalast zu erringen – und so war er am Tag der Verabredung etwas überdreht. Dem Meister war das natürlich klar. Deshalb erlaubte er sich, auf die Rausch-Methode zurückzugreifen. Der junge Mann stand im Gang und war natürlich nervös. Er stellte sich vor, wie die Begegnung ablaufen würde: Der Hypnotiseur wird ihn in ein besonderes Zimmer führen, er wird in einem bequemen Sessel Platz nehmen, dann wird der Meister beginnen, ihn mit sanfter, zauberhafter Stimme zu beruhigen… ihm etwas zu flüstern… Warum kommt er denn nicht? Die Show ist ja schon zu Ende! Wo ist er? Vielleicht hat er mich vergessen? Nein – da ist Er! Er! Er ist schon ganz nah! Oh…! Gleich nimmt er meine Hand… Jetzt… Kaschpirowski nahm seine Hand nicht, führte ihn auch nicht in ein besonderes Zimmer und beruhigte ihn nicht. Im Vorbeigehen sprang er einfach hoch, schlug dem Kerl an die Stirn und befahl: „Rauche nicht mehr!“. Dann entfernte er sich ganz ruhig. Der junge Mann blieb einige Minuten mit offenem Mund stehen und ging dann nach Hause. Seit diesem Tag rauchte er nicht mehr.
Ericsonsche HypnoseDiese Art der hypnotischen Trance wurde von dem amerikanischen Psychologen Milton Ericson ausgearbeitet, daher die Bezeichnung Ericsonsche Hypnose. Ericson versetzte den Patienten in Trance, indem er, wie es schien, einfach mit ihm sprach. Dem Menschen fiel es gar nicht auf, dass er während des Gesprächs, bei dem er mit offenen Augen dasaß und auf Fragen antwortete, in Hypnose fiel. Inzwischen haben sich viele Spezialisten diese Methode zu Eigen gemacht. Ich möchte Ihnen erzählen, was passiert, wenn Sie einmal an einen dieser Spezialisten geraten. Alles beginnt mit der so genannten Anpassung. Wenn der Psychotherapeut mit Ihnen spricht, nimmt er die gleiche Pose wie Sie ein. Wenn Ihnen diese Anpassung auffällt, hat es keinen Sinn, weiterzumachen. Wenn nicht, wird sich der Hypnotiseur als nächstes Ihrem Atem anpassen. Er wird entweder genau so atmen wie Sie oder er wird nur einen Teil seines Verhaltens mit Ihrem Atem in Einklang bringen: Er beginnt zum Beispiel, im Einklang mit Ihrem Atemrhythmus seine Hand leicht zu bewegen oder nur dann zu sprechen, wenn Sie ausatmen. Warum ausgerechnet beim Ausatmen und nicht beim Einatmen? Man spricht, wenn man ausatmet. Und wenn der Psychotherapeut etwas sagt, wenn Sie ausatmen, werden Sie das leicht als eine Illusion Ihrer inneren Rede empfinden. Während der Anpassung wird der Psychotherapeut zunächst Ihnen folgen, dann aber übernimmt er die Führung. In Ihrem Rhythmus atmend, wird der er seinen Atemrhythmus ändern. Wenn Sie dabei Ihren Atemrhythmus auch ändern, bedeutet das, dass Sie ihm folgen und dass er zu Ihnen eine Rückkoppelung hergestellt hat. Der Psychotherapeut führt Sie und beginnt damit, Sie in den Zustand der Trance zu versetzten. Während des Gesprächs stellt er Ihnen eine etwas unerwartete, vielleicht sogar eine absurde Frage, die Sie leicht verwirrt und dazu zwingt, auf Ihr visuelles Gedächtnis zurückzugreifen. Zum Beispiel: „Was hatten Sie an, als Sie Sylvester feierten?“ oder „Wann haben Sie zum letzten Mal Ihren Personalausweis in der Hand gehabt?“ Daraufhin werden Sie Ihren Blick höchstwahrscheinlich seitlich und ein bisschen nach oben richten, was bezeugt, dass Sie sich an Ihr visuelles Gedächtnis wenden. Dann beginnt der Hypnotiseur wahrscheinlich, auf Sie einzureden: Das sind irgendwelche unbestimmte und auf den ersten Blick nichts sagende Sätze. Er erzählt etwas und flicht in die Geschichte etwas ein, was damit überhaupt nichts zu tun hat. Kann sein, dass er davon erzählt, wie er seinen Urlaub verbrachte… am Meer… er lag am Wasser… im warmen Sand… er fühlte, wie sich sein Körper entspannte… entspannte… „Ich blickte in den Himmel“, säuselt er, „mir wurde etwas schwindlig… ich wollte schlafen… die Sonne …. meine Augen wurden müde… ich schloss meine Augen… Es kam mir vor, als ob ich immer noch aufs Wasser schaue… ich habe dort einen trägen Fisch gesehen… und dachte: Können Fische eigentlich in Trance fallen?“ Ich führte ein Beispiel an, wie man den Patienten nach der Methode von Ericson in Trance versetzen kann, aber nicht damit Sie lernen, sich dem Hypnotiseur zu widersetzen. Was bringt Ihnen der Widerstand? Freude daran, dass Sie ihn überlisten konnten? Wenn Sie ihn aber überlisten, werden Sie unverrichteter Dinge nach Hause gehen müssen. Wenn aber er Sie überlistet, dann verlassen Sie ihn ohne Ihre Krankheit, die Sie schon längst satt haben. Im nächsten Beispiel aber muss man sich dem Hypnotiseur widersetzen.
Hypnose bei den ZigeunernDie Technik von Milton Ericson wurde und wird immer noch von Zigeunern benutzt. Um das zu veranschaulichen, möchte ich das Erlebnis einer Frau anführen, das in der Monographie von A. M. Swjadoschtsch „Neurosen und wie sie zu behandeln sind“ beschrieben ist. „… Ich bin 47 Jahre alt. Ich bin nicht abergläubisch. Als ich auf einer Geschäftsreise in Moskau war, ging ich einmal in einen Park, setzte mich auf eine einsame Bank und las mein Manuskript. Eine Zigeunerin kam zu mir. Ich hörte ihre Stimme und hob den Kopf. In einiger Entfernung standen noch mehrere Zigeunerinnen. Die Zigeunerin sprach zu mir und ich folgte gehorsam ihren Befehlen. „Ich bin keine Zigeunerin. Ich bin Serbin“, wiederholte sie zwei Mal, „Ich wurde mit einem Fischzahn geboren“, wiederholte sie auch zwei Mal, „Nimm eine Münze und wickele sie in Banknoten. Sprich mir nach: „Geld, mein Geld.“ Drücke das Geld in der Hand“. Dann habe ich eine Gedächtnislücke. Sie hat mir mein Geld nicht weggenommen. Sie zeigte mir ihre Hand, in der kein Geld war, und in meiner Hand war selbstverständlich auch kein Geld mehr. Ich stand auf und sie sagte zu mir: „Bereue es nicht, dass das Geld weg ist, es kommt zurück.“ Es war mir ganz klar, dass das nicht passieren wird. Eine andere Zigeunerin bat mich auch um Geld und ich sagte: „Ich habe nur kleine Münzen. Ich kann sie nicht hergeben, sonst komme ich nicht nach Hause“. Eine weitere Zigeunerin bat um einen Bonbon „für ihr Kind“ und ich gab ihr eins (in meiner Tasche war eine Tüte mit Bonbons zu sehen). Ich gehe in die Richtung, wo es mehr Menschen gibt. Eine Zigeunerin geht mir hinterher. Sie sagt: „Nimm deinen Ring ab, damit du gut lebst.“ Ich antwortete etwas wie: „Daran glaube ich nicht.“ „Nimm den Ring ab!“, wiederholte sie, „Sonst kommst du nicht nach Hause, du wirst ganz schwarz!“ Ich antwortete, dass ich keine Angst habe, und nahm den Ring ab…“ Swjadoschtsch charakterisierte diese Frau folgendermaßen: „Sie ist kontaktfreudig, herrschsüchtig und kann sich zurückhalten. Bei psychologischen Experimenten zeigt sie keine erhöhte Empfänglichkeit für Suggestion. Lässt sich nicht hypnotisieren.“ Ziehen Sie die Schlussfolgerungen. |
Dr. Alexandre Strasny |
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